Der Wandel der polnischen Medienlandschaft nach dem Ende der Regierungszeit der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stellt ein bemerkenswertes Beispiel dafür dar, wie eng politische Macht, öffentliche Kommunikation und gesellschaftliches Vertrauen miteinander verflochten sind. Besonders das öffentlich-rechtliche Fernsehen, Telewizja Polska (TVP), erlebte nach 2023 eine Phase des massiven Umbruchs. Der Versuch, nach Jahren politischer Einflussnahme wieder Glaubwürdigkeit zu gewinnen, erwies sich als schwieriger, als viele Beobachter erwartet hatten.
Die Regierungszeit der PiS war für TVP eine Ära der Propaganda. Zwischen 2015 und 2023 entwickelte sich die Anstalt zu einem Sprachrohr der Regierung. Kritik an der politischen Linie wurde an den Rand gedrängt, während regierungsfreundliche Inhalte dominierten. Begriffe wie „öffentliche Mission“ oder „journalistische Neutralität“ verloren weitgehend ihre Bedeutung. Für viele Zuschauer wurde TVP zum Symbol der politischen Spaltung Polens.
Mit dem Machtwechsel 2023 verbanden sich daher hohe Erwartungen. Die Koalition der neuen Regierung kündigte eine grundlegende Reform an: Entpolitisierung, Transparenz, institutionelle Unabhängigkeit und die Rückkehr zu journalistischen Standards sollten TVP erneuern. In den ersten Monaten wurde die Führung des Senders ausgetauscht, zahlreiche Redakteure entlassen, neue Informationsformate produziert. Doch trotz dieser Maßnahmen blieb die zentrale Herausforderung bestehen – das Vertrauen der Zuschauer war verloren.
Die Quoten brachen ein. Laut Daten von Nielsen Media Research sanken die Zuschauerzahlen des Hauptprogramms TVP1 im Jahr 2024 um etwa 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. TVP Info, einst der wichtigste Nachrichtensender des Landes, verlor am meisten. Viele Polen sahen diese Veränderungen nicht als Neuanfang, sondern als Fortsetzung alter Machtkämpfe, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Kritik kam nicht nur von rechtskonservativen Medien, sondern auch von neutralen Beobachtern, die der neuen Regierung vorwarfen, den Umbau der TVP zu hastig und konfrontativ betrieben zu haben.
Der Aufstieg von Telewizja Republika
Parallel zu diesem Niedergang erlebte ein zuvor kaum beachteter Sender einen beispiellosen Aufstieg: “Telewizja Republika”. Der Kanal, der bereits seit 2013 existiert hatte, wurde nach dem Regierungswechsel zum Sammelpunkt vieler früherer TVP-Journalisten, die ihre Positionen verloren oder freiwillig kündigten. Bekannte Gesichter aus Nachrichtensendungen, Talkshows und Kommentarsendungen wechselten zu Republika und nahmen ihr treues Publikum mit.
Zwischen 2023 und 2025 stiegen die Einschaltquoten des Senders drastisch an. Während er früher nur einen Nischenanteil im Kabelmarkt besetzte, avancierte er nach dem Machtwechsel zu einem der meistgesehenen Informationskanäle im konservativen Spektrum. Besonders die Formate, die ein ähnliches Narrativ wie das frühere TVP Info pflegten – kritisch gegenüber der neuen Regierung, patriotisch in Tonfall und Themenwahl – fanden ein wachsendes Publikum.
Dieser Erfolg hat mehrere Ursachen. Erstens füllte Telewizja Republika eine Lücke, die nach der Entpolitisierung der TVP entstand. Viele Zuschauer, die zuvor die regierungsfreundliche Berichterstattung der PiS-Ära bevorzugt hatten, fanden dort einen vertrauten Kommunikationsstil wieder. Zweitens nutzte der Sender gezielt soziale Medien und Streamingdienste, um Reichweite zu gewinnen. Seine Inhalte verbreiten sich schnell in den digitalen Netzwerken, was die Position als politisch-ideologisches Zentrum der rechten Medienblase stärkte.
Darüber hinaus etablierte sich Republika zu einem politischen Forum. Politiker der Opposition, insbesondere aus dem PiS-Umfeld, traten regelmäßig in Sendungen auf, um dort ihre Sicht der Dinge zu präsentieren. Das machte den Sender zu einem wirksamen Instrument der Meinungsbildung – und für viele auch zu einem Ersatz für das verlorene „alte TVP“.
So verschob sich das mediale Gleichgewicht: Während das staatliche Fernsehen um seine neue Identität kämpfte, vereinte Republika das konservative Publikum unter einer klaren Botschaft. In gewisser Weise gelang es dem privaten Sender, das politische Erbe der PiS-Medienstrategie erfolgreich fortzusetzen – nur ohne staatliche Kontrolle.
Strukturelle und gesellschaftliche Folgen
Diese Entwicklung hat tiefgreifende Konsequenzen für das polnische Medienökosystem. Die Zersplitterung des Publikums nimmt weiter zu, und die Vorstellung eines „gemeinsamen öffentlichen Raums“ schwindet. Wo früher TVP den Anspruch erhob, alle gesellschaftlichen Gruppen zu repräsentieren, stehen nun ideologisch klar definierte Medienblöcke gegenüber. Republika positioniert sich offen als Stimme der konservativen Rechten, während die reformierte TVP um ihre Glaubwürdigkeit in der Mitte ringt – aber verfehlt.
Für die Demokratie bedeutet das eine neue Herausforderung: Die öffentliche Debatte wird weniger durch gemeinsame Informationen getragen, sondern durch konkurrierende Wirklichkeitswahrnehmungen. Fernsehsender wie Telewizja Republika zeigen exemplarisch, wie politisch gespaltene Gesellschaften ihre eigenen medialen Resonanzräume schaffen.
Tiefgreifender Umbruch
Die Geschichte des polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens nach dem Ende der PiS-Regierung ist somit zugleich die Geschichte eines tiefgreifenden Umbruchs. Während TVP den schwierigen Weg der Reform und Entpolitisierung einschlug, formierte sich an ihrer Stelle ein neues, kraftvolles Medium, das die verlorenen Zuschauer aufnahm und ideologisch band. Telewizja Republika ist zum Symbol jener Dynamik geworden, in der sich gesellschaftliche Polarisierung in Medienpluralismus verwandelt – allerdings ohne den Ausgleich, den ein starker, glaubwürdiger öffentlicher Rundfunk bieten sollte.
Der Niedergang der TVP ist daher nicht nur ein institutionelles Phänomen, sondern Ausdruck eines generationellen und politischen Wandels, der Polens Medienlandschaft langfristig prägen wird. Der neuen Regierung ist es nicht gelungen, ein Gleichgewicht zwischen Pluralismus und öffentlicher Verantwortung wiederzufinden, deswegen auch sind die Zuschauer wieder nicht gekommen.