von Lydia Kokavcova, Slowakei

"Kultur ist nicht nur Theater aus Stein, sondern unser Lebensraum", so lautete der Slogan, mit dem die ostslowakische Metropole Kosice (Kaschau) um den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2013 kämpfte. Die Stadt war erfolgreich und reihte sich in die Gruppe der Gewinner ein, in die bereits beispielsweise das französische Paris, das italienische Florenz oder das österreichische Graz gehören.

Niemand in Kosice würde es merkwürdig finden, wenn er auf der Straße ungarisch, deutsch oder ukrainisch hört. Die zweitgrößte slowakische Stadt präsentierte sich schon immer als multikulturell, die Stadt war ursprünglich ungarisch und um Jahr 1900 lebten hier 67 Prozent Ungarn. Ungefähr 30 Jahre später bildeten die Juden einen neunprozentigen Anteil des Bürgertums. In den 90er Jahren wuchs die Zahl der Roma und dank der Nähe der ukrainischen Grenze finden hier immer mehr Ukrainer Arbeitsmöglichkeiten.

Die bürgerliche und kulturelle Fassade von Kosice wurde durch den industriellen Aufschwung in den 50er Jahren verändert und beinahe zerstört. Die dicht gebauten Neubausiedlungen boten für die vom Lande zugezogenen Arbeitskräfte zwar Wohnraum, aber keinerlei Platz für Kultur.

Mit der Verleihung des Titels Europäische Kulturstadt 2013 soll jetzt einiges in Kosice geändert werden, die Kultur soll ein Bestandteil des alltäglichen Lebens werden. Das Rathaus wird innerhalb der nächsten fünf Jahre circa 80 Millionen Euro benötigen, um alle vor der Europäischen Kommission präsentierten Projekte umsetzen zu können. Insbesondere die Kommission, aber auch die slowakische Regierung und die lokale Verwaltung sollen an der Finanzierung mitwirken.

Galerie statt Heizung

Eines der wichtigsten Projekte soll in den Neubausiedlungen stattfinden. Denn jeder dieser Orte hat eine Heizungskraftanlage, die aber nicht vollkommen ausgenutzt wird. "In den letzten Jahren änderte sich die Technologie der Wärmedistribution radikal," erzählt Zora Jaurová, die Managerin des Projektes. Ungefähr 95 Prozent der Fläche bleiben also leer. "Dort kann ein kleines Theater oder eine Galerie entstehen. Dadurch wird die Kultur ihren Platz nicht nur im Stadtzentrum, sondern auch an anderen Orten haben," erklärt sie. Für die Einwohner besteht somit die Möglichkeit, an den kulturellen Ereignissen direkt in ihrer Umgebung teilzunehmen.

Außer der Nutzung der Heizungsanlagen diskutiert man über die Rekonstruktion der alten Kaserne, wo eine kleine Kulturstadt entstehen soll. Aus dem ehemaligen Bergwerkplatz soll ein Ort für Open Air Festivals werden. Der Titel Europäische Kulturhauptstadt 2013 soll aber auch das Roma-Ghetto Lunik IX am Rande der Stadt mit internationaler Hilfe einbeziehen. Sozialarbeiter aus dem französischem Lyon, die schon Erfahrungen mit ähnlichen Sozialgruppen haben, besuchten die Neubausiedlung. "Und sie waren sehr begeistert," ergänzt Zora Jaurová. Lunik IX wurde von ihnen als ein "sehr gutes Feld für ihre Tätigkeit" bezeichnet. Konkrete Aspekte des Projektes verrät sie jedoch noch nicht.

Die Einwohner von Kosice sind mit der jüngsten Entscheidung der Europäischen Kommission zufrieden. Man sieht eine Genugtuung darin und gleichzeitig hofft man, die Stadt könnte ihren verlorenen Glanz zurück bekommen. Obwohl sich die Verhältnisse im Vergleich zum Anfang des letzten Jahrhunderts geändert haben, traten neue Tatsachen auf. Die gut entwickelte Infrastruktur, der Status der zweitgrößten Metropole im Land und die Nähe der Schengen-Grenze sind Faktoren, mit denen man in Kosice in der Zukunft auch auf dem Kulturfeld arbeiten wird.


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