von Martin Pokorný, Tschechische Republik

Es ist in Tschechien oft der Fall, dass man weder den Journalistinnen noch den Journalisten glaubt. Man hört oft, dass die Medienleute lügen, nichts wissen, manipulieren würden oder einfach nur zu dumm seien. Journalisten würden vor allem nach Sensationen suchen und deswegen als Hyänen oder gar Prostituierte bezeichnet. Mit diesem Bild der Journalisten arbeitet gerade auch eine neue Krimiserie, die vom öffentlich-rechtlichenFernsehen produziert und präsentiert wird.

Doch auf der anderen Seite hört man bei verschiedenen Straßenbahn-, Garten- und Kneipendiskussionen: Es stand doch in der Zeitung! Oder, man hat es doch im Fernsehen gezeigt!

Woher diese Einstellung kommt, ist mir ziemlich unklar. Leute verlassen sich auf Nachrichten (und andere Inhalte) von Medien, denen sie nicht glauben. Selber schuld, möchte man fast sagen. Man liest und hört eigentlich vor allem die Nachrichten, die der persönlichen Weltvorstellung entsprechen. Die Wahrnehmung der Informationen ist dann manipulierbar. Durch die Reihenfolge, durch die Wortwahl und im Fernsehen durch die Bilder. Einige Privatfernsehsender in Tschechien betonen die Nachrichten noch extra mit szenischer und dramatischer Musik. Das, was dort konsumiert wird, sind eher Emotionen und Unterhaltung.

Es dauert, bis man lernt mit Inhalten von Medien bewusst umzugehen, darüber nachzudenken, skeptisch und kritisch Abstand zu gewinnen. Die Frage ist, wie sehr Leute dazu fähig sind, oder ob sie das wollen. Man könnte fast sagen, bei Sachen, die mich persönlich nicht betreffen, kann ich schneller und viel einfacher Abstand nehmen. Wie aber die aktuelle Migrationskrise zeigt, die Menschen in Tschechien sind auch tief von Tatsachen betroffen, mit denen sie noch keine Erfahrung gemacht haben. Viele Tschechen wollen auch gar keine Erfahrung mit der Migrationskrise machen. Ihre Wahrnehmung wird durch Angst verschärft und jede Nachricht weckt starke Emotionen. Und zwar nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Nachrichten. Und wer letztendlich bewertet Informationen nach positiv oder negativ? Eine Schlägerei im Asylheim kann genauso als negative Nachricht betrachtet werden, die man lieber, wenn überhaupt nur ganz kurz erwähnt, genauso hat diese Tatsache auch positive Seiten. Ist eine Demonstration, bei der Linke (dessen größter Feind vermutlich die Rechten sind) ein Polizeipräsidium mit Steinen bewerfen und die ganze Stadt lahmlegen, eine positive oder negative Nachricht? Sie hilft weder Ausländern, noch Migranten, noch Flüchtlingen. Am meisten ist von einer solchen Demonstration die unbeteiligte Zivilbevölkerung betroffen.

Mit der Migrationskrise wird es deutlich spürbar, wie sich die Wortwahl im schnellen Lauf der Zeit verändert, Wertung bekommt und zum Politikum wird. Das Wort Migrant wird gleich als negativ gewertet und der Sprecher wird zumindest als ausländerfeindlich verdächtigt, wenn nicht ab sofort in die Reihen der Rechtsextremisten geschickt. Man darf auch fast keine skeptische Haltung mehr vertreten, wenn das Wort Flüchtling vorkommt. Zahlen in verschiedenen Medien variieren, laut Statistiken ist ungefähr nur jeder fünfte Migrant aus Syrien. Woher kommen die anderen?

Angst und Trennung der Gesellschaft bereiten leider den Nährboden für extremes Verhalten. Wo ist jetzt die Rolle der Medien? Milderung der Extreme? Flüchtlingshelferpropaganda? Antiflüchtlingspropaganda? Und welche Nachricht hat welche Folgen? In dieser Zeit ist es, glaube ich, auch für Journalisten kompliziert sich zu orientieren. Vor allem wenn man kein Anhänger weder der Linken noch der Rechten ist.

Redaktionen (zum Beispiel beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen) suchen jetzt positive Beispiele zur Integration von Ausländern, die in Tschechien schon lange leben. Das Tschechische Radio informiert gerne über spontane Hilfe für die Migranten – egal ob sie aus Syrien, oder anderswoher kommen. Die Leute bleiben trotzdem skeptisch und wenn sie Bilder vom Mittelmeer sehen, sehen sie meisten junge Männer, die ihrer Meinung nach in Europa Armeen formieren könnten.

Das gesündeste Publikum für Medien wären Skeptiker, die nicht hysterisch reagieren, und die nicht alles glauben, was ihnen gesagt oder gezeigt wird. Bilder und Wörter sind doch immer nur Teile des Ganzen. Teile, die ein Redakteur wählt, die ein Chefredakteur will, die in ein politisches oder ideologisches Bild der jeweiligen Redaktion passen, Teile von denen das Publikum wieder nur Teile wahrnimmt.