von Edvin Peçi, Albanien

Der 21. September 2014 ist für alle Albaner einer der wichtigsten Tage ihrer nationalen Geschichte geworden. Papst Franziskus hat für seine erste Reise in ein europäisches Land „das Land der Adler“ gewählt. Seit mehr als sechs Monaten hat sich Tirana für seinen Besuch in „das Land der Märtyrer“ transformiert, wie der Papst es selbst nannte. Tausende Albaner feierten Papst Franziskus auf den Straßen in Tirana und Tausende mehr haben Fotos und vieles andere mehr durch die sozialen Medien geteilt. Der 77-Jährige fuhr durch die Straßen im offenen Jeep und ließ den Wagen mehrfach anhalten, um Hände zu schütteln und Kinder zu segnen. Nach dem offiziellen Empfang auf dem Internationalen Flughafen Tirana Mutter Teresa durch Ministerpräsident Edi Rama, begab sich der Papst zur Willkommenszeremonie auf den Platz vor dem Präsidentenpalast mit anschließendem Antrittsbesuch beim Staatspräsidenten im Grünen Salon des Palastes. Daraufhin traf Franziskus mit den Behördenvertretern im Empfangssaal zusammen.

In besonderer Weise betonte Franziskus das friedliche Zusammenleben und die Zusammenarbeit von Angehörigen verschiedener Religionen in Albanien. „Das Klima gegenseitigen Respekts und Vertrauens zwischen Katholiken, Orthodoxen und Muslimen ist ein kostbares Gut für das Land und gewinnt eine besondere Bedeutung in dieser unserer Zeit“, so sagte der Papst. Nach dem „Winter der Isolation und der Verfolgungen“ sei für Albanien der Frühling der Freiheit angebrochen. Bei seinem Besuch in Albanien hat Papst Franziskus Versuche verurteilt, religiöse Überzeugungen als Vorwand für Gewalt heranzuziehen. Niemand, der Gewalt gegen Mitmenschen ausübe, dürfe Gott als „Schutzschild“ missbrauchen. Er hat das friedliche Zusammenleben der muslimischen Mehrheit mit den orthodoxen und katholischen Minderheiten als Kontrast zur aktuellen Gewalt in Syrien und im Irak in den Mittelpunkt seiner Botschaften gestellt. Höhepunkt des Besuchs war die Heilige Messe auf dem Mutter Teresa-Platz im Zentrum der Hauptstadt. Die selige Ordensfrau würdigte er in seiner Predigt als „demütige und große Tochter dieses Landes“.

Albaniens Bevölkerung ist mehrheitlich muslimisch. Etwa 15 Prozent der albanischen Bevölkerung sind katholisch, gut zehn Prozent orthodox. Nach Warnungen aus dem Irak vor Bedrohungen durch radikale Islamisten verstärkte Albanien zuletzt die Sicherheitsvorkehrungen. Die Kirche befindet sich seit einigen Jahren erst wieder im Aufbau, nachdem die bis 1990 regierenden Kommunisten das Land zum ersten atheistischen Staat der Welt erklärt und Moscheen und Kirchen geschlossen oder sogar zerstört hatten. Die Verfolgung, die das Regime von Enver Hodscha in einem der damals isoliertesten Staaten los trat, traf unterschiedslos alle: die muslimische Mehrheit, die nach heutigen Schätzungen bei fast 60 Prozent der Bevölkerung liegt wie die Orthodoxen oder Katholiken. 1968 hatten die Kommunisten auch in die Verfassung geschrieben, dass Albanien ein „atheistischer Staat“ sei. Erst Ende 1990 wurden Religionen wieder zugelassen.

Bis Shkoder kam Papst Franziskus nicht, aber seine Reise wurde vor allem von dieser Stadt aus aufmerksam verfolgt. Es ist die größte Stadt im Norden von Albanien, nur ein paar Kilometer von der Grenze zu Montenegro entfernt. Hier und im dazugehörigen Bergland leben viele Katholiken, und hier litten die Menschen besonders, als Albanien – zu kommunistischer Zeit – offiziell ein atheistischer Staat war, der keine Religionen zuließ. Aus Shkoder kommt ein Großteil der katholischen Märtyrer dieser etwa fünfzig Jahre: Hunderte von Priestern, Ordensleuten und Laien. Johannes Paul II. ehrte sie bei seinem Besuch im Jahr 1993.

Franziskus besuchte erst Lateinamerika sowie den Nahen und Fernen Osten, bevor er jetzt Europa seine erste Aufwartung machte. Sein nächstes Ziel nach Albanien liegt allerdings wirklich im Herzen des Alten Kontinents: Es ist das Europäische Parlament in Straßburg.


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