von Oksana Moskalenko, Ukraine

- „Nach Polen.“
- „Oder nach Frankreich. Das ist immer besser.“

Das ist kein Gespräch vor dem Urlaub. Zwei Universitätsabsolventen besprechen ihre Pläne für die Zukunft. Die Hauptsache ist, aus der Ukraine weg zu gehen und im Ausland zu leben – ein Traum von jungen Ukrainern und Ukrainerinnen.

Die erste Emigrationswelle fand 1991 bis 1992 statt, nachdem die Ukraine die Unabhängigkeit gewonnen hatte und die Tendenz geht weiter. Mittlerweile haben bereits ungefähr 20 Millionen Ukrainer ihre Heimat verlassen. Die Fakultäten für Fremdsprachen an den Universitäten sind überfüllt: fast alle Studenten drohen zu emigrieren. Die Frauen suchen nach ausländischen Männern, die Männer nach ausländischen Arbeitgebern. Das Geschäft mit der Auswanderung ist groß in der Ukraine – dies sind Agenturen für die Kontaktaufnahme mit Ausländern und verschiedene Organisationen, die dabei helfen, ein Visum zu bekommen oder sogar dabei, illegal über die Grenze zu kommen.

- „Ich weiß nicht genau wohin ich gehen möchte, aber je weiter desto besser.“
- „Stimmt. Ich liebe meine Heimat, aber ich habe nur ein einziges Leben.“
- „Genau. Hier gibt es nichts zu tun.“

Warum streben so viele Leute ins Ausland? Die Ursachen sind meist offensichtlich: Höherer Lebensstandart und Sicherheit. Man muss ehrlich sein: die Situation in der Ukraine ist sehr kompliziert. Der durchschnittliche Lohn beträgt kaum 250 Euro, die Preise aber sind ähnlich wie die europäischen. Gesetzlich sind Medizin und Ausbildung kostenlos, aber in der Realität ist alles ganz anders. Die ganze Staatsverwaltung ist krank durch Korruption und die Bürger fühlen sich nicht geschützt und respektiert.

Ein wirklich unattraktives Bild. Da kann man niemanden beschuldigen, der dieses Land verlassen will.

Dieser Weg ist aber der leichteste. Viel schwerer ist es, in der Ukraine zu bleiben und zu versuchen, bei der Entwicklung des eigenen Landes zu helfen. Nach vielen Jahren des sowjetischen Mangels wollen unsere Leute alles haben und das möglichst schnell. Enthaltsamkeit bei Wünschen und Nationalstolz – das sind die Werte, nach welchen wir streben sollten.

Gott sei Dank helfen uns die europäischen Länder gerne. Wahrscheinlich gibt es sehr viel, das die Leute in der Ukraine noch lernen müssen. Die Beziehungen zu Europa im Bezug auf Ausbildung, Kultur und Wirtschaft sind unbezahlbar. Aber alle Kenntnisse, die gewonnen werden, müssen auch zum Wohle des ukrainischen Volkes genutzt werden. Es ist erstens die Aufgabe der Medien und zweitens die der Lehrer, den Ukrainern Nationalbewusstsein einzuimpfen. Schon im Kindergarten sollen die kleinen Ukrainer und Ukrainerinnen stolz auf ihre Heimat sein. Damit die neue ukrainische Generation einmal sagt:

- „Ich habe nur einziges Leben und so viel zu tun in der Ukraine.“


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