von Vadzim Naumchyk, Republik Belarus

Auch ein Land kann eine Marke sein. Heute wird sich niemand mehr über eine solche Aussage wundern. In diesem Artikel möchte ich über die Bekanntschaft mit einem Land (nämlich mit Belarus) mittels Agrartourismus erzählen.

Stadt und Dorf – wie verschieden sind diese Erscheinungen. Städte in verschiedenen Ländern können unterschiedlich sein: unterschiedliche Architektur, unterschiedliche Stadtkonzepte, unterschiedliche Verkehrsmittel, die bevorzugt werden. Aber je größer eine Stadt ist, desto mehr ähnelt sie einem Muster. Um bei der Entwicklung bzw. beim Ausbau einer Stadt keine Fehler zu machen (Fehler können teuer sein), nimmt man bestimmte Standards, die durch das dortige Leben und Erfahrungen ausprobiert und tausendmal korrigiert wurden. So entstehen in der ganzen Welt Metropolen, die sehr ähnlich sind und nach ähnlichen Prinzipien organisiert sind. Hier sind auch die weltbekannten Player anzutreffen, die ihre Dienste in der Gastronomie und bei Übernachtungen anbieten. Die Bekanntschaft mit einem Land sollte mit der Bekanntschaft seiner Hauptstadt beginnen, hier werde ich nicht streiten. Aber es muss noch etwas für die Menschen geben, die von der Hektik der Stadt bereits müde sind.

Das Leben des Volkes mit all seinen Bräuchen und Traditionen, der alltäglichen Arbeit und den Sorgen kann man am besten in einem Dorf erfahren. Agrartourismus bietet die Möglichkeit, sich mit diesem Leben und mit der Natur des Aufenthaltlandes bekannt zu machen und dabei auch nicht ohne den gewohnten Komfort.

Agrartourismus (oder auch Landtourismus oder Dorftourismus) hängt auch mit dem Umwelt- und Gesundheitstourismus eng zusammen. Man kann in einem bescheidenen Landhaus oder in einem großen Cottage absteigen und den Geschmack des Dorflebens probieren. Ein Hahnenruf morgens, kein hektischer Alltag, Natur und frische Luft sind der unentbehrliche Liebreiz des Agrartourismus. Schlafen auf Heu, Pilze- oder Beerensammeln sind für den Asphaltmenschen Exotik. Die Wirte der Landshäuser bieten eine gemütliche Erholung, organisieren Fischfang und Jagd und machen die Gäste mit dem Potenzial der Natur und den Traditionen der nationalen und örtlichen Kultur bekannt.

Was die Geschichte von Agrartourismus angeht, so ist es keine neue Erscheinung. In Europa ist diese Form seit den 1970er Jahren bekannt. Besonders verbreitet ist der Agrartourismus in Italien, Spanien und Frankreich. Laut verschiedener Angaben erbringt der Dorftourismus zehn bis 20 Prozent vom gesamten Einkommen für die touristische Branche.

Auch in Belarus entwickelt sich diese Art der Erholung. In Westbelarus, das vor dem zweiten Weltkrieg noch zu Polen gehörte, wurde sogar ein jährliches Nachschlagewerk „Sommer in den Landhäusern der östlichen Gebiete“ herausgegeben. Und jetzt wollen viele städtische Bewohner ihren Urlaub nicht mehr am Strand mit unzähligen weiteren Sonnen- und Liegeplatzsuchenden, sondern allein in der Natur, in einem Dorf verbringen. Gäste in Landhäusern werden das ganze Jahr empfangen. Das können Wochenendtouren, Familien- oder Arbeitsfeiern unter freiem Himmel oder ein langfristiger Aufenthalt sein.

Zur Zeit zählt Belarus etwa 900 Objekte zum Agrar- und Ökotourismus. Von null auf 900 Objekte entwickelte sich dieser Zweig im Laufe von drei Jahren! Trotz der Krise (oder vielleicht auch dank ihr) ist die Zahl der Agrartouristen 2009 nicht rückgegangen, sonder verdoppelte sich fast auf 70.000 Menschen. Die Mehrheit der Gäste der Dorfhäuser waren letztes Jahr Belarussen, aber es kommen auch genügend Ausländer. Hier konnte man Vertreter aus 46 Ländern finden, sieben Länder mehr als 2008.

Die Belagroprombank (Belagroprombank Joint-Stock Company/Belarussische Agrarindustriebank) bietet den Menschen zudem Unterstützung, die Agrartourismus betreiben wollen. Auch organisiert die Bank jährlich einen Wettbewerb der Landhäuser, in dem aus verschiedenen Nominierungen die Besten ausgewählt werden.

Agrartourismus ist also eine modische und sich schnell entwickelnde Form der Erholung im modernen Tourismus. In Belarus ist der Dorfservice längst kein Baby, aber auch noch kein Erwachsener. Es ist eher ein Jugendlicher, der unter der Einwirkung seiner Pubertät versucht, alle von seiner Bedeutung zu überzeugen. Lyrische, oft pastorale Dorflandschaften, traditionelle bäuerliche Lebensweise und Bio-Lebensmittel sind nur einige Vorteile der Erholung auf dem Lande.

Wer sich für weitere Ereignisse in Belarus interessiert, hier sind weitere Themen des Jahres:
Präsidentschaftswahl (19. Dezember 2010)
Teilnahme von Belarus an der Weltausstellung in Shanghai EXPO-2010 (1. Mai bis 31. Oktober 2010)
In-Kraft-Treten der Zollunion Belarus-Russland-Kasachstan (1. Juli 2010)
Beziehungen und Streit zwischen Belarus und Russland
65 Jahre seit dem Sieg im Großen Vaterland/Zweiter Weltkrieg (am aktivsten im April und Mai 2010)
600 Jahre seit der Schlacht am Tannenberg/Grünwaldschlacht (Hauptereignis: 25. bis 27. Juni 2010)

Vorbereitung auf die Austragung der Eishockey-WM 2014 (das ganze Jahr)