von Talis Eipurs, Lettland

Die Politiker verlieren das Vertrauen des Volkes

Die letzten Jahre haben in der Politik Lettlands mehrere Skandale hervor gebracht und neuerdings die Frage, was mit der Demokratie oder der Volksmacht in diesem Staat geschieht, aufgeworfen. Das Handeln der Politiker war den Wählern sehr unklar. Daraus entsteht die Frage, ob das lettische Volk überhaupt fähig ist, ihm angenehme Vertreter zu wählen. Es geht um merkwürdige Beschlüsse, die sie dem Volk nicht erklären könnten. Entweder weil sie absichtlich keine ehrlichen Vorhaben haben oder weil die Politiker nicht mit den Wählern gesprochen und die Ansichten der Wähler nicht erkannt haben. Allgemein gesagt, es sind zur Zeit in Lettland dieselben Politiker an der Macht, die des Kommunikationsmangels mit den Wählern beschuldigt werden und es wird interessant sein zu beobachten, WIE und OB sich die Regierenden an der Macht bis zu den Saeima-Wahlen im Jahre 2010 halten. Bis dahin müssen sie die Wahlen der Selbstverwaltung und des Europäischen Parlaments überwinden.

Die Politiker fassen fragwürdige Beschlüsse

Das Ganze begann schon vor zwei Jahren, als die Regierungsmänner still und in Eile einen Gesetzesentwurf bereitgestellt haben, der wesentlich das Funktionieren der staatlichen Sicherheitsbehörde geändert hätte. Die Frage war nur diejenige - in welchen Händen die Macht und die Information nach den von ihnen geplanten Änderungen in den Sicherheitsbehörden sich konzentrieren würde. Die Art und Weise, wie das Ganze gefasst wurde, schien von der Seite gesehen mehr als verdächtig. Vielen war noch lange danach nicht klar, warum es unentbehrlich war und ob jetzt heimliche staatliche Sicherheitsinformationen in breiterem Umfang zur Verfügung stehen werden. Wie sicher ist das? Das haben die Sicherheitsprofis selber gefragt.

Das haben die Wähler nicht verstanden und das hat auch die damalige Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga nicht verstanden. Sie hat abgelehnt, das Gesetz in Kraft treten zu lassen. Das hat sie zum ersten Mal in ihrer achtjährigen Präsidentschaft getan. In Lettland wird über solche Gesetzesentwürfe in einer Volksabstimmung weiter entschieden. In Lettland sind jedoch bei einer Volksabstimmung gefasste Beschlüsse für das Parlament im Nachgang schwer zu ändern. Doch haben die Politiker schnell gehandelt. Sie haben selber ihren Vorschlag widerrufen und die Volksabstimmung eigentlich zu Nichte gemacht. Die Zahl der Wähler in der Volksabstimmung war nicht ausreichend.

Die Regenschirmrevolution

Im vorigen Herbst war den Menschen wiederum das Handeln der Politiker nicht klar. Mehrere Beschlüsse und skandalöse Ereignisse haben die Menschen zu Demonstrationen veranlasst. Zum Beispiel wollte der Ministerpräsident Aigars Kalv?tis den Chef der Anti-Korruptionsbehörde (KNAB), Aleksejs Loskutovs, Anfang März aus seinem Amt entlassen. Kurz danach hat die USA-Botschafterin in ihrer Rede, die kein Präzedenzfall ist, einen eindeutigen Wink gegeben, dass Lettland zu einem gefährlichen Punkt gekommen sei. Es muss entschieden werden, ob es hier eine Demokratie oder "ein Spielplatz für gewisse Individuen, die die Beschlüsse fassen, damit die Gewinner ihre Freunde wahren, geben wird." Kurz nachdem wurden von der herrschenden Volkspartei (Tautas partija) mehrere führende Politiker verjagt oder sind selber weggegangen. Die Kälte, der Regen, nasser Schnee und eine allgemein schlechte Wetterlage waren nicht nur draußen, sondern auch in die Politik hinein gekommen. Das Volk war nicht zufrieden mit der Situation. Trotz Schlackerwetter haben die Menschen die Regenschirme in die Hände genommen und sind auf die Straßen gegangen. Diese Zeit ist als "Regenschirmrevolution" in die Geschichte eingegangen. Wegen dieser Revolution ist die Regierung zurückgetreten. Doch auch diesmal hatten die Politiker einen fertigen Plan. Sie haben eine neue Regierung mit einem neuen Ministerpräsidenten gebildet, haben einige Minister ausgewechselt, aber in Wirklichkeit hat dieselbe Koalition weitergearbeitet. Nach einiger Zeit sich hat die regierende Koalition wiederum an den leitenden Anti-Korruptionsmann des Staates gewendet. Diesmal haben die auch eine Ursache gefunden. In der von ihm geführten Behörde war eine große Geldsumme verloren gegangen. Er wurde im Juli 2008 entlassen.

Demokratie funktioniert nicht

Kein Wunder, dass parallel zu all dem an die Saeima ein von mehr als Zehntausenden unterschriebener Gesetzesentwurf ging, wo Korrekturen in der Landesverfassung vorgeschlagen wurden. Zusammen mit dem Gewerkschaftsverband haben die Wähler einen Mechanismus vorgeschlagen, dass ein Zehntel der Wähler die Entlassung des Parlaments anstoßen könnte. Die Abgeordneten haben diesen Vorschlag zurückgewiesen und auch in diesem Fall wurde vom Gesetz eine Volksabstimmung gefordert und diesmal war das Interesse sehr groß. Aber auch hier gab es eine große Überraschung, da auch in dieser Volksabstimmung zu wenig Wähler kamen und der Vorschlag durchgefallen war.

Bald nach der Volksabstimmung waren die Unterstützer der Verfassungsänderungen überrascht über die ungenügende Aktivität der Wähler. Sie sind der Meinung, dass die Wähler Angst vor dem möglichem Chaos im Staat haben. Genauso wurde die Wahl des Datums der Volksabstimmung kritisiert, da es an einem der heißesten Sommerwochenenden, wenn die Menschen am Meer in der Sonne liegen möchten, lag. Die Gegner der Änderungen ihrerseits - die Politiker der regierenden Koalition - haben die Volksabstimmung bescheiden kommentiert - diplomatisch diejenigen gelobt, die zur Volksabstimmung gegangen sind, aber auch nichts kritisches über diejenigen, die zu Hause geblieben sind, gesagt. Die Politiker lavierten zwischen der Ansicht von 600.000 Unterstützern der Volksabstimmung und der Überzeugung von 900.000, die nicht zur Volksabstimmung gekommen sind. Es gab auch Politiker, die zufrieden sagten, dass die Wähler "mit den Füßen" abgestimmt haben, das heißt, nicht gekommen sind und nicht teilgenommen haben. Damit ist die Äußerung der Meinung der lettischen Gesellschaft bei den politischen Prozessen häufig einseitig. Schon vor diesen Volksabstimmungen ist klar, dass wenigstens 90 Prozent für den vorgeschlagenen Gesetzesentwurf abstimmen werden. Das System der Volksabstimmung in Lettland fördert gewissermaßen die Nichtteilnahme. Um GEGEN irgendeinen Vorschlag abzustimmen, muss man einfach nicht kommen. Aber jeder, der GEGEN einen Vorschlag abstimmt, stimmt faktisch FÜR diesen Vorschlag ab, da es das unentbehrliche Quorum zu erhalten hilft. Und das ist vorteilhaft für die Politiker, die ungern den Wähler anhören.

Zur Zeit haben die Koalitionspolitiker einen Ausschuss gebildet, der die Verfassungsänderungen anfertigt. Aber auch dies wird sehr listig gemacht. Im Unterschied zu anderen Fällen, als in den verantwortlichen Ausschüssen die Opposition wenig Einfluss hatte, wird diesmal jeder Abgeordneter zur Teilnahme aufgerufen. Das ist vorteilhaft, da, wenn die Änderungen dem Volk nicht gefallen, wenn Verzögerungen oder Probleme auftreten, ein Schuldiger gefunden werden kann.

Die Stille vor dem Sturm

Nach einem heißen Sommer kommt ein kühler Herbst. Das Volk hat seine Meinung geäußert, und die Politiker sagen, dass sie die Stimme des Volkes gehört haben und die Verfassung geändert werden muss. Sie behaupten, dass ein dermaßen wichtiger Beschluss nicht überhastet werden darf. Das sagen dieselben Politiker, deren Zuverlässigkeit in den Augen des Volkes zuvor bezweifelt wurde. Es wird kein Wunder sein, wenn auch nach einem Jahr, wenn hoffentlich das nächste SSM-Seminar stattfinden wird, es in dieser Sache wenig Neuigkeiten geben wird und dieser Artikel nur durch ein paar Zeilen erweitert werden muss. Höchstwahrscheinlich gibt in den Korridoren der Regierung und in deren Umgebung schon jetzt, ein paar Jahre vor der Wahl, einen gut durchdachten Plan und Beschlüsse, damit der Wähler die Regierung eine gewisse Zeit wieder in Ruhe lässt.


Konversation wird geladen