von Radovan Kondrlik, Slovakei

Die Slowakei hatte in den letzten Monaten mehrere wichtige politische Ereignisse zu verzeichnen. Im Februar hat Bratislava die Aufmerksamkeit der ganzen Welt angezogen als der Gipfel zwischen den USA und Russland stattfand. Die Regierung unter Führung Mikulas Dzurindas ist bei den Reformen weiter vorangeschritten. Besonders in Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik. Die Bildungssystemreformen sind hingegen nicht im geplanten Umfang gelungen. Studiengebühren wurden bisher nicht eingeführt. Darüber hinaus hat sich die wirtschaftliche Entwicklung fortgesetzt. Die Durchschnittseinkommen sind im Vergleich zu 2004 um mehr als sieben Prozent gestiegen. Die Slowakei ist weiter ein bevorzugtes Ziel für ausländische Investoren.

Trotz der ausgezeichneten makroökonomischen Daten und dem Lob für den Standort aus dem Ausland sind viele Menschen mit ihrem Lebensniveau nicht zufrieden. Das hängt meist mit den Löhnen und der Arbeitslosigkeit zusammen. Dazu kam noch eine ausgeprägte politische Krise. Ende August musste wegen einer ungeklärten finanziellen Affäre Wirtschaftminister Pavol Rusko abtreten. Seine Partei – die Allianz des neuen Bürgers – wurde zersplittert.

Nach der letzten politischen Entwicklung zeigen viele Faktoren, dass die Slowakei auf vorgezogene Neuwahlen zusteuert. Dennoch sprach sich Regierungschef Dzurinda dagegen aus, die slowakischen Wähler zu den Urnen zu rufen. Regulär sind Parlamentswahlen im September 2006 vorgesehen. Nachdem Parlamentspräsident Pavol Hrusovsky (Christdemokratische Bewegung, KDH) am Mittwoch bereits den dritten Tag in Folge vergeblich versuchte, die Sitzung zu eröffnen, sprach er offen davon, dass Neuwahlen "zum frühest möglichen Zeitpunkt" der sauberste Weg aus der Krise wären. Zuvor hatte schon die Regierungspartei SMK (Partei der Ungarischen Koalition) diese Lösung vorgeschlagen, aber danach hatten Sie diesen Vorschlag (März 2006) zurückgezogen.

Doch die stärkste Regierungspartei, Dzurindas Slowakische Demokratische und Christliche Union (SDKU), ist gegen eine schnelle Neuwahl. Kein Wunder: Ihr sagen Umfragen im Unterschied zur KDH und SMK empfindliche Stimmenverluste voraus. Dafür attackierte Dzurinda die Linkspartei "Smer" von Robert Fico und die Kommunisten, ihre Parlamentsblockade sei ein "Komplott".

Nachdem die drei christdemokratischen Parteien ihre bisherige Koalition mit dem vierten Partner, der liberalen Allianz des Neuen Bürgers (ANO), formell aufgekündigt hatten, sahen die Opposition und die so genannten "unabhängigen" beziehungsweise "wilden" Abgeordneten die Chance gekommen, mit einer Demonstration der Stärke ihren Einfluss zu vergrößern. Heutzutage sind im Nationalrat 23 unabhängige Abgeordneten vertreten. Obwohl formal im Parlamentsgebäude anwesend, blockierten sie durch Abwesenheit im Plenarsaal tagelang den Sitzungsbeginn.

Aber nicht alle Blockierer können ein wirkliches Interesse an vorgezogenen Wahlen haben: Nur Robert Ficos "Smer" kann laut der Umfragen auf deutliche Stimmengewinne hoffen. Die Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS-LS) von Ex-Premier Vladimír Meciar könnte bestenfalls ihre gegenwärtige Position halten. Die bereits mehr als 30 "Unabhängigen" müssen damit rechnen, aus dem Parlament zu fliegen, ebenso wie die gespaltene liberale "ANO". Die innenpolitischen Querelen führten bereits zu einem Kursverfall der Landeswährung Krone.

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